Die Demo „Tierproduktion stoppen! Klima retten!“ am 12.11.2016 in Hannover wurde von über 30 Gruppen unterstützt, darunter auch der Gruppe Tierbefreiung Hamburg. Hier veröffentlichen wir ihren Redebeitrag zur Demo.
Es ist ein Trauerspiel: Alljährlich treffen sich internationale Regierungsvertreter und -vertreterinnen zu irgendwelchen Klima-Gipfeln. “Zwei Grad” heißt die Losung: um zwei Grad dürfe die Temperatur bis 2050 im Vergleich zum sogenannten vorindustriellen Zeitalter noch steigen, um den Folgen des jetzt bereits offensichtlich werdenden Klimawandels noch Einhalt zu gebieten. Doch allen Erklärungen und Vereinbarungen zum Trotz, die klimaschädlichen Emissionen – allen voran Methan und Kohlendioxid – steigen… Und steigen… Und steigen!
Klimawandel und globale Tierproduktion
Etwa ein Fünftel des Ausstoßes von Treibhausgasen wird dabei durch die globale Tierproduktion verursacht. Neben dem Energiesektor und dem Verkehr heizen insbesondere die Futtermittelproduktion mit ihrem Kohlendioxid freisetzenden Landverbrauch und der Methanausstoß durch die Tierhaltung dem Klima im wahrsten Sinne des Wortes ein.
Die Tierhaltungsindustrie, die sich ab der kommenden Woche hier in Hannover zur Branchen- und Verbrauchermesse EuroTier trifft, weist derweil jede Verantwortung von sich, präsentiert Besucher*innen und Geldgeber*innen lieber die neuesten Produktionsanlagen und diskutiert hinter verschlossenen Türen, wie immer neue Märkte unterworfen werden können.
Konsumkritik greift zu kurz
Während sich Fleischindustrie, Tierhalter*innen und Futtermittelkonzerne wegducken, wird die Klimakrise in der Öffentlichkeit gerne als Frage moralischer Leitbilder und des individuellen Konsums verhandelt: Öfters Mal auf Fleisch verzichten, so die Losung zur Reduktion von Tierproduktion. So wie öfters Mal das Licht ausgemacht werden soll oder das Fahrrad statt des Autos genutzt werden solle, um den vom Energiesektor und dem Verkehr verursachten CO2-Ausstoß zu verringern. Nicht, dass die Lebensweise keinen Einfluss auf den Umfang der genutzten Ressourcen hätte. Es ist aber eine Illusion zu glauben, dass der Klimawandel über die Veränderung individueller Konsumentscheidungen allein abgewendet werden könnte.
Ein Blick auf die Fleischproduktion macht dies deutlich: Seit Jahren steigt die Anzahl der vegetarisch und vegan lebenden Menschen in Deutschland, was sicherlich erfreulich ist. Doch die Fleischproduktion in Deutschland ist keineswegs rückläufig – im Gegenteil!
Die auf Export und Expansion getrimmte deutsche Fleischindustrie steigert die Produktion insbesondere von Hühner- und Schweinefleisch nicht zuletzt mithilfe milliardenschwerer Agrarsubventionen. Hunderte neue Mastanlagen werden gebaut, in denen Tiere den Nutzenkalkülen der Fleischindustrie entsprechend in kürzester Zeit gemästet werden. Schlachtfabriken werden erweitert, um die Tiere im Akkord zu töten. Der Appell zur Änderung individuellen Konsumverhaltens greift offensichtlich zu kurz.
Tierausbeutung, Umweltzerstörung, Klimawandel im Kapitalismus
Eine der klimaschädlichsten Industrien wächst rasant, sie führt zur weiteren Zerstörung unser aller natürlichen Lebensgrundlagen. Getrieben vom steten Konkurrenzkampf und dem Zwang zur Erweiterung und Intensivierung der Produktion gelten Natur und Tiere den Fleisch-, Futtermittel- und Agrarkonzernen als bloße auszubeutende Ressource.
Die industrialisierte Landwirtschaft und Tierhaltung ist Ausdruck der in unserer Gesellschaft vorherrschenden kapitalistischen Ökonomie. Dass ihr kein Prinzip der Nachhaltigkeit, Schonung oder Vorsicht inne liegt, ist nicht etwa Resultat „naturfeindlicher Einstellungen“ sondern logische Konsequenz einer Wirtschaftsweise, die nicht der Befriedigung von Bedürfnissen dient, sondern den Notwendigkeiten fortschreitender Kapitalakkumulation folgt. Der Klimawandel steht ebenso wie die industrialisierte Tötung von Tieren oder der Kahlschlag der Wälder im Globalen Süden für ihre verheerenden Folgen.
Agrarkonzerne und die Fleischindustrie in die Verantwortung nehmen
In diesem Sinne müssen wir, die für eine soziale und ökologische Landwirtschaft eintreten, unsere Kritik auch explizit gegen die herrschende Form der Lebensmittelproduktion richten und aufzeigen, welche Verantwortung Agrar- und Futtermittelkonzerne sowie die Fleischindustrie für die Klimaveränderungen und die Ausbeutung der Natur haben.
Statt also den moralischen Zeigefinger etwa gegen die wachsende Mittelschicht Chinas und Indiens ob ihres vermeintlichen Fleischappetits zu erheben, heißt es Alternativen allen voran dort zu entwickeln, wo die naturzerstörerische, tierverachtende und neokoloniale Agrarpolitik ihren Ausgang nimmt, nämlich im Globalen Norden und nicht zuletzt auch in Deutschland.
Daher kann es nur richtig sein, dass dort wo Mastanlagen neu gebaut werden, wo Schlachtfabriken erweitert werden, Widerstand organisiert wird und Fleischkonzerne wie Wiesenhof, Rothkötter oder Tönnies zum Ziel entschlossener Kampagnen werden. Initiativen wie die Kampagne gegen Tierfabriken in Niedersachsen, Mastanlagen Widerstand in Süddeutschland oder Tierfabriken-Widerstand in Ostdeutschland zeigen, wie in Zusammenarbeit mit lokalen Initiativen und über Einwendungen, Demonstrationen und Aktionen des zivilen Ungehorsams, etwa in Form von Blockaden, Druck auf die Betreiber*innen von Mastanlagen und die Fleischkonzerne aufgebaut werden kann.
Gemeinsam kämpfen gegen Tierproduktion und für eine solidarische Landwirtschaft
Mittelfristig muss anstelle privatwirtschaftlicher Konkurrenz eine Produktion treten, die auf der Grundlage tatsächlich demokratischer Entscheidungsprozesse den Bedürfnissen von Menschen und Tieren und dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen Rechnung trägt. Die Vergesellschaftung der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion ist dabei eine Notwendigkeit, um auch im Bereich der Produktion und Verteilung von Lebensmitteln eine Ordnung zu überwinden, in der Eigentumsrechte und die Profitinteressen von Konzernen mehr gelten als soziale und ökologische Gerechtigkeit.
Klar ist aber auch, dass eine alternative und solidarische Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion nicht allein von einzelnen politischen Bewegungen erreicht werden können. Um die Agrarwirtschaft nach anderen Prinzipien als bloßer Profitmaximierung auszurichten, braucht es eine Zusammenarbeit verschiedener politischer Bewegungen.
Wir freuen uns daher, dass Aktivistinnen und Aktivisten aus verschiedenen Gruppen und Organisationen sich hier zur Demonstration gegen die EuroTier versammeln. Zeigen wir in aller Deutlichkeit, dass wir die herrschende Politik im Umgang mit dem Klimawandel ablehnen, dass wir für Alternativen zu einer Mensch, Natur und Tier ausbeutenden Landwirtschaft, Tierhaltung und Fleischindustrie eintreten.
Weitere Texte von Tierbefreiung Hamburg:
„Für die Befreiung der Tiere“- Eine grundlegende Kritik von Tierausbeutung und dem herrschenden Mensch-Tier-Verhältnis.
„Mensch, Natur und Tiere in der Krise“ – Ein Text über die Notwendigkeit einer antikapitalistischen Kritik der Tierausbeutung zu den Blockupy-Aktionstagen.