10.00 Uhr vor dem Sitz des Deutschen Verbandes für Tiernahrung e.V. (DVT) (Beueler Bahnhofsplatz Nr. 18, Bonn-Beuel)
Regierungsvertreter*innen aus fast allen Ländern der Welt kommen in Bonn zusammen, um darüber beraten, wie sie den Klimawandel eindämmen wollen. Gleichzeitig befinden sich in unmittelbarer Nähe konkrete Akteure, die auf Kosten des Klimas Profite erwirtschaften und viel dafür tun, dass das auch so bleibt.
Mit einer Kundgebung vor dem Sitz und Büro des DVT wollen wir einen dieser Akteure markieren und ihn mit unseren Protest konfrontieren. Anschließend wollen wir in Form einer Demonstration auf die fatalen Auswirkungen des Anbaus von Futtermitteln aufmerksam machen und gemeinsam zu der Veranstaltung “Der Kampf um Rechte für Migrant*innen im Kontext der Klimakrise” des People‘s Climate Summits im Wissenschaftszentrum laufen.
Die Herstellung von Futtermitteln und deren Verfütterung in der Tierproduktion trägt maßgeblich zum Klimawandel bei.
Der DVT ist mit seinen 280 Mitgliedsunternehmen, die rund 80 % des Futtermittelmarktes in Deutschland repräsentieren, die größte Interessenvertretung der Futtermittelbranche in Deutschland. Zu seinen Mitgliedern gehören Unternehmensgrößen wie mehrere Tochterunternehmen von Agravis, BASF, Habema und MEGA Tierernährung (ein Tochterunternehmen der PHW-Gruppe, Marke Wiesenhof), sowie internationel Unternehmen wie Cargill (USA), ForFarmers (Niederlande) und Provimi (ursprünglich Niederlande, inzwischen ein Teil von Cargill).
Auf ihrer Webseite beschreiben sie ihre Aufgaben wie folgt:
„[…] wir [beraten und unterstützen] die Mitglieder in fachlichen Fragen. Als Mittler zwischen der Futterwirtschaft und der Land- und Ernährungswirtschaft, der Politik, den Medien sowie anderen Wirtschaftszweigen, den Behörden und der Wissenschaft sowie der Öffentlichkeit ist der Deutsche Verband Tiernahrung die zentrale Schnittstelle in Sachen Futtermittel.“
Da sie die Interessen eines Wirtschaftsbereichs vertreten, in dem viel Geld mit der Zerstörung der Natur und des Klimas gemacht wird, haben sie selbstredend kein Interesse daran, dass der Klimawandel ernsthaft aufgehalten wird.
Unter der Rubrik „Futterfragen“ weichen sie der Frage des Klimaschutzes mehr oder weniger geschickt aus. So versprechen sie lediglich sehr unkonkrete Verbesserungen wie eine effizientere Zusammensetzung des Futters, so dass „weniger Futter für mehr Leistung“ benötigt wird, die Forschung von Futter, welches den Methanausstoß verringern soll, und Energieeinsparung bei der Futtermittelherstellung. Andere Missstände wie mangelhafte Arbeitsbedingungen und die Vertreibung von Bäuer*innen, Regenwaldrodungen, Artensterben und Überfischung der Meere werden erst gar nicht erwähnt.
Der DVT ist ein wichtiger Akteur, um das Bestehen und die Expansion der Tierfutterindustrie zu sichern und die dafür erforderlichen Bedingungen politisch durchzusetzen. Wirksame Klimaschutzpläne stehen ihren Interessen dabei entgegen.
Futtermittel und Tierproduktion
Die globale Landwirtschaft ist für ein Fünftel bis ein Drittel der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Zusätzlich hat die Landwirtschaft auch vielfältige Auswirkungen auf weitere planetare Grenzen wie z. B. die Landnutzung, die Biodiversität und den Stickstoffkreislauf. Diese Auswirkungen führen auch dazu, dass der Klimawandel dramatischer ausfällt und seine Folgen schwerer abzufedern sind.
Einen großen Anteil an diesen Folgen der Landwirtschaft hat die Tierproduktion – und dabei spielt die damit verbundene Futtermittelherstellung eine der Hauptrollen. Im Vergleich dazu trägt die Tierproduktion nur einen vergleichsweise kleinen Teil zur Welternährung bei und kommt vorwiegend der wohlhabenderen Weltbevölkerung zugute. Erkauft wird die Produktion mit der Verwüstung ganzer Landstriche, der immer weitgehenderen Erzeugung multiresistenter Krankheitserreger, extrem ausbeuterischen Arbeitsbedingungen auch im industrialisierten Norden und nicht zuletzt durch Ausbeutung nichtmenschlicher fühlender Lebewesen: zig Milliarden Landtiere und Billionen Wassertiere fallen jährlich der Tierproduktion zum Opfer.
Futtermittel als Teil des Problems
Futtermittel stellen eine zentrale Ursache dieser Probleme dar. Im Zuge der Industrialisierung wurde die Weidehaltung zunehmend durch intensive Tierhaltung ersetzt. Es entstanden viele Großbetriebe, die eine große Anzahl an Tieren auf geringem Raum konzentrieren. In der Regel sind dort keine ausreichenden landwirtschaftlichen Nutzflächen zur Erzeugung der dafür benötigten Futtermittel vorhanden, daher wird auch von „landloser Tierproduktion“ gesprochen.
Verschwendung aufgrund von Verfütterung
Für die Produktion von Futtermitteln werden Ressourcen wie Land und Wasser verbraucht, die anstelle des Einsatzes im Rahmen der Tierproduktion direkt für die Herstellung pflanzlicher Lebensmittel verwendet werden könnten. Vor diesem Hintergrund stellt Tierproduktion eine verschwenderische Nahrungsmittelproduktion dar.
Für die Produktion einer tierischen Kalorie werden je nach Tierspezies und Haltungsbedingungen ca. 1,5 bis 21 pflanzliche Kalorien benötigt. Der Land- und Ressourcenverbrauch lässt sich daher bei direkter Produktion pflanzlicher Lebensmittel drastisch verringern. Des Weiteren entstehen fast die Hälfte der Treibhaushasemissionen der Tierproduktion bei der Herstellung von Futtermitteln. Dieser Anteil kann durch eine Umstellung auf pflanzliche Lebensmittelproduktion umfassend reduziert werden, während die direkten Emissionen der Tierhaltung entfallen könnten.
Auch hinsichtlich des Wasserverbrauchs stellen Futtermittel eine krasse Verschwendung dar. Für die Herstellung eines Kilogramms Rindfleisch werden vor allem für Futtermittel durchschnittlich 16.500 Liter Wasser, für ein Kilogramm Schweinefleisch oder Käse 5.000 Liter verbraucht. Im Vergleich entfallen zum Beispiel auf ein Kilogramm Sojabohnen rund 2500 Liter Wasser und auf ein Kilogramm Kartoffeln 130 Liter.
Futtermittelimporte
Im Zuge der Globalisierung werden auch Futtermittel über immer weitere Strecken und in größeren Mengen gehandelt. Ein Großteil des in Europa verfütterten eiweißreichen Futtermittels stammt gegenwärtig aus Lateinamerika. Dort sind eine Vielzahl von Problemen mit der Produktion verbunden. Für die stetige Erweiterung der Anbauflächen werden oft große Flächen Regenwald gerodet – mit langfristigen negativen Folgen für das Klima, die Biodiversität und die Landschaft. Gleichzeitig werden die Futtermittel oft in Monokulturen und unter zum Teil massivem Einsatz genmanipulierter Saaten und von Pestiziden angebaut. Viele vormals relativ nachhaltig wirtschaftende Kleinbäuer*innen werden durch die aggressive Expansion der Produzenten ihrer Lebensgrundlage beraubt, und die Arbeiter*innen beim Futtermittelanbau leiden in vielen Fällen unter prekären Bedingungen.
Des Weiteren entsteht dort, wo die importierten Futtermittel verfüttert werden, oft ein Überschuss an nährstoffreicher Gülle, was in einigen Gebieten zu einem übermäßigem Nährstoffeintrag (Eutrophierung) führt. In Folge dessen kommt es zu negativen Auswirkungen für die Biodiversität, die CO2-Aufnahmefähigkeit von Gewässern und auch für die menschliche Trinkwasserversorgung.
Um ihrer negativen öffentlichen Wahrnehmung etwas entgegenzusetzen, ließ sich die Futtermittelindustrie einige Label einfallen, wie etwa „GMP+“, „Runder Tisch für verantwortliches Soja“ oder „Globaler runder Tisch für nachhaltiges Rindfleisch“. All diese Initiativen bewirken bestenfalls marginale Verbesserungen, während sie den Unternehmen hauptsächlich dazu dienen, ihre inhärent schädlichen Aktivitäten schönzureden und das Geschäftsmodell der Industrie zu sichern.
Fischmehl
Fischmehl, das heißt getrocknete und gemahlene Teile von Fischen, stellt eine weitere Form von Futtermittel dar, welches überwiegend in der Aquakultur sowie in der Schweine- und Hühnermast als Beimischung verwendet wird. Verklärend wird vonseiten der produzierenden Unternehmen oft behauptet, dass Fischmehl lediglich aus Beifang hergestellt werde. Doch gerade in den letzten Jahrzehnten hat sich die Fischmehlproduktion zu einem neuen Zweig der Hochseefischerei entwickelt, so dass bestimmte Fischarten ausschließlich für die Produktion von Fischmehl gefangen werden. Die Produktion von Fischmehl ist damit eine zentrale Ursache für die Ausrottung einzelner Fischarten und die Überfischung einiger Meeresgegenden.
Ähnlich wie beim Import von Soja sind auch die Hauptlieferanten von Fischmehl lateinamerikanische Länder. Die Verarbeitung von Fischmehl hat dort katastrophale Folgen für Menschen und Umwelt. So wird regelmäßig publik, dass mit Chemikalien versetzte Abfälle aus Fischmehlfabriken ungefiltert ins Meer geleitet werden. Zusätzlich leiden Anwohner*innen an Haut- und Atemwegserkrankungen, da der bei der Verarbeitung entstehende Fischmehlstaub in den Fabriken verbrannt wird.
ASEED, Animal Climate Action and Friends