Aufruf zur Solidaritätsdemo für/Tear down Tönnies/ anlässlich Prozess vor dem Landgericht Berlin
Am 23.09.21 rufen das Bündnis Gemeinsam gegen die Tierindustrie, Animal Climate Action und Tear down Tönnies zu einer Fahrraddemo auf. Anlass ist der Prozess gegen eine Aktivist*in von Tear down Tönnies. Ihr wird vorgeworfen, 2019 den Tönnies-Schlachthof in Kellinghusen blockiert und für mehrere Stunden lahmgelegt zu haben.
Der Skandalkonzern Tönnies verklagt nun vor mehreren Gerichten in Deutschland Aktivist*innen auf Schadensersatz in Höhe von 17.000€ und dem Unterlassen weiterer Proteste!
Wenn Konzerne wie Tönnies versuchen, Kritik und Proteste durch Klagewellen und Unterlassungsforderungen mundtot zu machen, müssen wir um so lauter werden! Zeigen wir der Fleischindustrie, dass wir uns nicht einschüchtern lassen und stehen wir gemeinsam gegen Repression.
Tierindustrie abschaffen – Tönnies enteignen!
Für eine sozialgerechte, ökologische und pflanzenbasierte Agrarwende!
23.09.21, 17:30 Uhr, Auftakt Kundgebung vor dem Bundesministerium für Landwirtschaft, Wilhelmstr. 54, Berlin. Dann Fahrraddemonstration zur Anwaltskanzlei Eversheeds and Sutherland, Kurfüstendamm 22, Abschlusskundgebung ca. 19 Uhr
23.09.2021: Tearn Down Tönnies – Resistance is not a crima
Trial against activist at Berlin court – Demonstration in solidarity with Tear down Tönnies
On 23.09.21 Gemeinsam gegen die Tierindustrie, Animal Climate Action and Tear down Tönnies are organizing a bicycle demonstration. A TDT activist is on trial in Berlin because of a slaughterhouse blockade in 2019.
Tönnies is suing several activists all over Germany for 17.000€ compensation and for refraining from further protests.
We need to take action and maker ourselves heard when companies like Tönnies try to silence our protest. Let’s stand together against the oppression of the meat industry.
Abolish the animal industry – expropriate Tönnies
For a just, organic and plant based agriculture shift!
23.09.21, 17:30, Start at the agriculture ministy, Wilhelmstr. 54, Berlin. Bike demonstration to the offices of Tönnies lawers Eversheeds and Sutherland, Kurfüstendamm 22. We finish around 19:00
Am 25. Januar 2021 machten sich Landwirt_innen aus ganz Deutschland in ihren Traktoren auf den Weg nach Berlin, um gegen niedrige Preise im Lebensmitteleinzelhandel und diverse Umwelt- und Naturschutzauflagen zu protestieren. Es gab Mahnwachen, Treffen mit Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Traktorkorsos durch die Stadt. Was ursprünglich für eine Woche geplant war, lief bis weit in den Frühling hinein. Diese Protestwochen gingen von einer Bewegung aus, die unter dem Schlagwort “Bauernproteste“ zusammen gefasst wird. Sie will auf die schwierige ökonomische Situation der Landwirt_innen aufmerksam machen. Dies erscheint als ein legitimes Anliegen. Doch es lohnt sich, genau hin zuschauen, denn rechte, rechts-offene sowie verschwörungsideologische Tendenzen werden in der jungen Bewegung immer stärker.
Darüber hinaus richten sich die Proteste aber auch gegen vermeintlich zu strenge Auflagen in den Bereichen Umwelt-, Klima- und Tierschutz. Insbesondere das neue Düngemittel- und das Insektenschutzgesetz stoßen auf Widerstand.
Seit Corona kamen für die Landwirtschaft weitere Probleme hinzu wie etwa fehlende Saisonarbeiter_innen oder die Schließung von Schlachtfabriken. Viele Landwirt_innen sehen sich also einem enormen ökonomischen, aber auch gesellschaftlichem Druck ausgesetzt.
Traditionell wird die konventionelle deutsche Landwirtschaft durch CDU/ CSU und den DBV (Deutscher Bauernverband) vertreten. Beiden wird jedoch eine wachsende Distanz zur Basis vorgeworfen. Ende 2019 gründete sich die Gruppe „Land schafft Verbindung“ (LSV), welche eine Gegenposition zum DBV einnimmt. Sie rief im Januar 2020 zu einer ersten großen Traktor-Demonstration in Berlin auf. Seit dem hat sich eine Protestbewegung formiert, die sich während der Coronapandemie zunehmend radikalisiert hat.
Nähe zu Verschwörungsideologien und Corona-Leugner_innen
Das gesellschaftliche Interesse an Themen wie Klimawandel, Tierrechten oder Artensterben hat in den letzten Jahren enorm zugenommen und geht oft mit Kritik an der industriellen Landwirtschaft einher. Vielen Landwirt_innen empfinden dies als ungerechtfertigte Schuldzuweisung. Typisch für die Bauernproteste ist deswegen eine starke Ablehnung von Klima- und Umweltschutz, die oft mit einer feindlichen Haltung gegenüber NGOs, Presse und Wissenschaft einhergeht. Dies erweist sich momentan als ein fruchtbarer Nährboden für Verschwörungsideologien.
Beispielsweise gibt es große Sympathien zwischen den Bauernprotesten und der klimawandelsekeptischen Gruppe Fridays for Hubraum (FfH). FfH ist eine Facebookgruppe, die sich als Gegenprotest zu Fridays for Future gründete. Sie erfuhr insbesondere von der AfD viel Unterstützung und musste im Herbst 2019 für eine Weile geschlossen werden, nachdem rechtsradikale Botschaften und Morddrohung Überhand nahmen. Landwirt_innen zeigen sich auf den Aktionen gerne mit FfH Logo. Der LSV nahestehende Textildruck Grommes bietet sowohl LSV, als auch FfH-Merch an. Und auch FfH teilt auf Facebook und Telegram regelmäßig Artikel und Videos der Bauernproteste.
Aber nicht nur Klimawendelskeptiker_innen haben einen Platz in den Reihen der Bewegung. Insbesondere in den Telegramgruppen rund um LSV und die Bauernproteste (beispielsweise „LSV- Niedersachsen“, “Aktuelle Berichte, Termine und Treffpunkte zu den Bauernprotesten“, „Landvolk schafft Verbindung“ und „Freie Bauen Deutschland“) wimmelt es von Querdenken-Positionen und andere Verschwörungsideologien. Nahezu völlig unkommentiert von allen gemäßigten Abonnent_innen werden wissenschaftsfeindliche oder rechtsradikale Inhalte aus Verschwörungs-Gruppen wie „ThanQ Q 2Q21“ (Q-Anon), „Yellow Roses“, „Digital Soldiers Germany“ oder „Arminius Erben“ geteilt. Ebenso diverse Abbildungen, die Corona als Lüge oder Verschwörung darstellen. Besonders unverhohlen rechts sind die Inhalte der Gruppen „Landvolk schafft Verbindung“ und „Freie Bauen Deutschland“.
Aber auch auf öffentlicheren Kanälen mangelt es an Abgrenzung von Verschwörungsideologien. Erst im Januar teilte LSV auf Facebook ein Video auf dem Landwirt_innen auf einer Querdenken-Demo in Berlin mit „Stopp Corona Lüge“ Ballon zu sehen sind. Im gleichen Video wird auf einem Schild das Insektensterben mit dem Ausbau des 5G-Netzes in Zusammenhang gebracht.
Besonders deutlich zeigte sich die Nähe zur Querdenken-Szene während der Landwirtschaftsproteste Anfang des Jahres in Berlin. Querdenker_innen mobilisierten breite Unterstützung in Form von Essens- und Sachspenden und beteiligten sich Rege am Protest. Der populäre Querdenken-YouTube-Kanal „Anni und Martin“ begleitete die Proteste wochenlang und diverse Landwirt_innen inklusive offizieller Sprecher_innen ließen sich gutwillig von diesen interviewen und teilten die Videos später über die eigenen Kanäle. Abgrenzungen gab es von vereinzeltenRedner_innen, doch zu einem klaren Ausschluss oder einer öffentlichen Distanzierung, beispielsweise durch LSV, kam es nie. In den Kommentaren der diversen Gruppen zeigt sich deutlich, dass dies auch nicht von allen Landwirt_innen gewünscht ist.
In der Telegramgruppe „LSV Niedersachsen“ wird sich mehrfach positiv auf die AfD bezogen und Inhalte von Stephan Protschka kritiklos geteilt. Dort fallen Äußerungen wie „Die AfD ist in meinen Augen die einzige Partei die glaubhaft für mehr nationale Selbstbestimmung und weniger Weisungsbindung aus Brüssel steht.“ oder „Ich sehe ganz genau, wer gerade Politik für uns macht 😉 Protschka zählt dazu“. Als ein Nutzer sich im Juni 2020 schockiert über die AfD-freundlichen Kommentare zeigte wurde er von diversen Mitgliedern der Gruppe nieder geredet und als „Gesinnungsgestapo“ beschimpft. Die Antifa wurde als Terrorgruppierung bezeichnet, die es mit einem Traktor zu überfahren gilt. Der Nutzer erhielt keinerlei Rückhalt aus der Gruppe und verließ diese am Ende des Tages.
Die Landvolk-Bewegung war eine Vereinigung von protestierenden, norddeutschen Bauern & Bäuerinnen während der späten 1920er Jahre. Diese litten unter der Wirtschaftskrise und dem sich nach Europa öffnendem Markt. Ab 1929 übte die Bewegung zahlreiche Bombenanschläge auf Gemeindevorsteher, Regierungs- oder Amtsgebäude. Margarethe Hamkens, die Witwe des Landvolk-Anführers Wilhelm Hamkens, berichtet in der Dokumentation „Stumpfe Sense – Scharfer Stahl“, dass sie sich dabei von den Bombenanschlägen des Ku-Klux-Klans inspirieren ließen. Diesem hatten einige Landvolk-Aktivisten während ihrer Zeit in den USA nahe gestanden hatten. Das Symbol der Bewegung war ein weißer Pflug und ein rotes Schwert auf schwarzem Grund. Es ist mittlerweile ein ständiger Begleiter der heutigen Proteste und wirdauf Flaggen, Mützen und Masken präsentiert. Im Juni 2020 stellten Landwirt*innen es sogar mit Traktoren für ein Luftbild nach. Auch bei den Protesten in Berlin war das Symbol wieder massenhaft vertreten.
Der völkische und antisemitische Charakter und der direkte Beitrag der Bewegung zum hohen Wahlergebnis der NSDAP in Schleswig-Holstein ist nicht zu übersehen. Für die Verwendung des Landvolk-Symbols hagelte es deswegen im letzten Jahr Kritik von Presse, DBV und Politik. Während sich Teile von LSV vom Symbol distanzierten, verteidigten diverse aktive Landwirt_innen es vehement als ein Symbol des Widerstands, das zu unrecht in die „rechte Ecke“ gestellt wird.
Fazit
Bei den Bauernprotesten handelt es sich um eine sehr heterogene Bewegung, in der durchaus unterschiedliche Positionierungen zu finden sind. Jedoch scheinen die Landwirt_innen, die sich kritisch zu Querdenken, AFD und Landvolksymbol positionieren in der Minderheit oder zumindest extrem zurückhaltend zu sein. Ihnen gegenüber steht eine sehr aktive Gruppe von Aktivist_innen, die sich nicht scheuen, völkische Symbole zu verwenden und Bündnisse mit der AfD und andere rechten oder verschwörungsideologischen Strömungen einzugehen. Dies liegt unter anderem auch daran, dass es aus diesen Milieus ein breites Unterstützungsangebot gibt. Linke Bewegungen beschäftigen sich hingegen fast gar nicht mit den Protesten. Dies überrascht nicht, denn das Thema Landwirtschaft und Ernährung wurde in der Linken lange eher stiefmütterlich und als Problematik individueller Konsumentscheidungen behandelt. Die Agrarindustrie ist jedoch eine gewaltige Industrie, die die Klimakrise anheizt, neokoloniale Praktiken fortsetzt, Landarbeiter_innen und Nutztiere ausbeutet und nicht zuletzt kleinen landwirtschaftlichen Betrieben die Lebensgrundlage entzieht. Die Linke sollte nicht rechten Bewegungen das Feld überlassen, sondern eigene Positionen entwickeln: Für eine solidarische und klimagerechte Landwirtschaft, die ökologische Krisen, globale Perspektiven und die Situation der Nutztiere mitdenkt.
Auch wir haben den Aufruf des Bündnisses „Gemeinsam gegen die Tierindustrie“ unterzeichnet. Wir freuen uns auf das Camp und die Massenaktion – und hoffen ihr seid mit am Start!
PHW ade!: Aktionscamp und Massenaktion des zivilen Ungehorsams des Bündnisses „Gemeinsam gegen die Tierindustrie“ im Juli 2021
Der Klimawandel schreitet rasend schnell voran, der Amazonas-Regenwald brennt unaufhörlich und immer mehr Ökosysteme brechen zusammen. Ein wichtiger Grund: Die Tierindustrie.
Um Futtermittel zu erzeugen, werden Wälder vernichtet und gigantische Flächen mit industriellen Monokulturen bewirtschaftet. Gülle und Mist verunreinigen Grund- und Oberflächenwasser. Zugleich müssen Arbeiter*innen in den Ställen, Schlacht- und Zerlegebetrieben unter menschenunwürdigen Bedingungen schuften. Empfindsame Tiere zählen dabei nur als Waren. Sie leiden extrem. In vielen Teilen der Welt verteuert die Tierindustrie Grundnahrungsmittel und den Zugang zu Land und sorgt so für Hunger. Auch die Corona-Krise hat ihre Ursachen u.a. in der Zerstörung unserer natürlichen Grundlagen – nicht zuletzt verantwortet von der Tierindustrie!
Inmitten der ökologischen Krise verzeichnen Agrar- und Fleischkonzerne Rekordumsätze auf Kosten von Menschen, Tieren und unser aller Zukunft. Das ist ein Skandal!
Zwischen dem 12. und 17. Juli 2021 werden wir in einer Massenaktion zivilen Ungehorsams die Betriebe des größten deutschen Geflügelzüchters in Rechterfeld (Niedersachsen) lahmlegen. Die PHW-Gruppe, bekannt durch die Marken Wiesenhof und Bruzzzler, ist einer der wichtigsten Akteure der deutschen Tierindustrie.
Ein Aktionscamp in der Nähe der Betriebe wird außerdem ein Ort des Protests, der Vernetzung und der Weiterbildung im Kampf gegen die Tierindustrie sein.
Hinter Aktion und Camp steht ein großes Bündnis aus unterschiedlichen Bewegungen. Denn es ist höchste Zeit, sich zusammenzuschließen und eine gemeinsame Schlagkraft zu entwickeln, um eine grundlegende Agrarwende herbeizuführen – kreativ, vielfältig und entschlossen. Gemeinsam stoppen wir PHW!
Mit unserer Aktion fordern wir:
Abschaffung der Tierindustrie! Schließung aller Anlagen!
Wir fordern die Enteignung von PHW und die Umstellung der Anlagen in ökologisch verträgliche und solidarische Pflanzenproduktionsstätten unter der Selbstverwaltung der Arbeiter*innen. Im Zuge einer umfassenden Agrarwende muss die Tierindustrie als Ganze abgeschafft und durch eine Landwirtschaft ersetzt werden, die nicht auf Kosten anderer fühlender Individuen erfolgt und nicht am Gewinn orientiert ist.
Lasst uns zusammen widerständig sein gegen Klima-Ungerechtigkeit und solidarisch stehen mit allen, die von der Klimakrise betroffen sind. Lasst uns gemeinsam die Ausbeutung von Arbeiter*innen und die Gewalt gegen Tiere beenden. Für die Überwindung des kapitalistischen Systems!
PHW ADE! FÜR EINE SOLIDARISCHE UND ÖKOLOGISCHE AGRARWENDE
SYSTEM CHANGE NOT CLIMATE CHANGE!
Auf dem Camp wird es Vorträge, Workshops und Diskussionen geben.
28.06, 19 Uhr Im Hinterhof der Regenbogenfabrik, Lausitzer Straße 22
Die Tierindustrie macht trotz Klimakrise und Pandemie Rekordumsätze. Dabei werden der Regenwald und andere Ökosysteme zerstört, Arbeiter_innen ausgebeutet und das Klima weiter angeheizt. Zeit etwas dagegen zu tun!
Wir geben einen Input zu den ökonomischen Dimensionen der Tierindustrie und ihrem Beitrag zum Klimawandel und anderen Krisen. Anschließend informieren wir zum Aktionscamp und zur Massenaktion gegen PHW, Deutschlands größtem Geflügelproduzenten, vom 12.-17.07 in Niedersachsen. Es gibt die Möglichkeit gemeinsam kühle Getränke zu trinken, Fragen zu stellen und sich auszutauschen. Die Veranstaltung findet im Freien statt. Bitte bringt Masken mit und macht nach Möglichkeit vorher einen Corona-Schnelltest.
Die vierte Folge „Gemeinsam lauschen – Der Podcast gegen die Tierindustrie“ ist raus.
Der Amazonas ist bedroht, das ist nichts Neues. Doch auch andere Ökosysteme werden durch die Agrarindustrie zerstört. Wir haben die Aktivistin Valéria Santos interviewt, die sich für den Cerrado, eine riesige Savannenregion in Brasilien, einsetzt. Sie berichtet von Vetreibungen und Morden, von toxischen Monokulturen und von neokolonialen Beziehungen zwischen Lateinamerika und Europa. Der Sojaanbau für die europäische Tierindustrie spielt dabei eine zentrale Rolle.
„Es sind diese fließenden Formen rechten Terrors, die in den Handlungen Einzelner ihre mörderische Zuspitzung und Folge finden und damit niemals Einzeltaten sind. Schluss damit! Damit wir keine Angst mehr haben müssen, muss es politische Konsequenzen geben.“ Initiative 19. Februar Hanau
Der rassistische Anschlag in Hanau hat uns alle erschüttert: Ein Rassist hat zehn Menschen ermordet. Wir dürfen ihre Namen niemals vergessen: Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar, Kaloyan Velkov und Gabriele Rathjen.
Doch wir hätten nicht überrascht sein dürfen. Nach der Selbstenttarnung des NSU. Nach dem Mord an Walter Lübcke. Nach dem Terroranschlag in Halle nur wenige Monate zuvor. Der Attentäter von Hanau war getrieben von der gleichen rassistische Ideologie, dem gleichen antisemitischen Verschwörungswahn wie viel zu viele andere in diesem Land. Die genauen Verstrickungen von Polizei, Verfassungsschutz und Neonazi-Strukturen in die Tat sind noch viel zu wenig aufgeklärt. Klar ist aber schon jetzt: rassistische Razzien in Shisha-Bars, Hetze gegen „Clan-Kriminalität“ und „besorgte Bürger“, die auf Demos zusammen mit Nazis laufen, haben dem Attentäter den Weg bereitet. Das Problem sind nicht „nur“ ein paar bewaffnete Neonazis oder „Einzeltäter“. Ein Rassist konnte in Hanau neun Menschen erschießen, weil wir ein gesamtgesellschaftliches Rassismusproblem haben.
„Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufklärung, Konsequenzen“: Das fordert die Initiative 19. Februar Hanau. Wir als Bewegung für Klimagerechtigkeit schließen uns dieser Forderung an. Wir sind solidarisch mit den Angehörigen der Ermordeten und mit allen Menschen, die von Rassismus betroffen sind. Es sind ihre Stimmen, die am 19. Februar aus Lautsprechern im ganzen Land schallen werden. Wo rechter Hass, Verschwörungsideologie und Terror sich ausbreiten und vom „Verfassungsschutz“ bis in den Bundestag zu Tage treten, da gibt es keine neutrale Position. Wir müssen uns entscheiden: Faschismus oder Antifaschismus.
Der Kampf für Klimagerechtigkeit muss antirassistisch sein. Das bedeutet: historische Verantwortung anerkennen, aktuellen Ungerechtigkeiten entgegentreten, kämpfen für eine Zukunft mit Bewegungsfreiheit, Menschenrechten und sicherem Zuhause für alle. Als Klima-Aktivist*innen sind wir Teil einer Gesellschaft, die Rassismus und Antisemitismus tagtäglich reproduziert, und darin müssen wir uns positionieren. Wir sehen es deshalb als Aufgabe der ganzen Klimabewegung an, das Bündnis „Initiative 19. Februar Hanau“ sowie die Migrantifa-Bewegung und die vielen anderen Gruppen und Initiativen in ihrem Kampf gegen rassistischen Terror, Polizeigewalt und Nazi-Netzwerke zu unterstützen.
Wir rufen Euch deshalb auf: Geht am 19. Februar zu einer der dezentralen Kundgebungen in Eurer Stadt – wenn es noch keine gibt, dann hört Euch um und schaut, ob ihr selbst eine organisieren könnt! Unterstützt dabei migrantische Selbstorganisierungen und Antira-Gruppen, seid solidarisch und behutsam, denn es ist der Tag eben dieser Perspektiven. Achtet auf Abstand und Maske – und gedenkt der Toten von Hanau. Aber bleibt nicht beim Gedenken. Steht auf, wenn ihr Rassismus, Antisemitismus oder andere Formen von Diskriminierung erlebt. Geht auf die Straße gegen Neonazis, Coronaleugner*innen, die AfD und Rassismus überall. Denn Klimagerechtigkeit geht nur antifaschistisch & antirassistisch!
Afrique Europe Interact Alle Dörfer Bleiben Am Boden bleiben AniCA – Animal Climate Action Antirassitische Gruppe Mainz ausgeCO2hlt AStA der Cusanus Hochschule für Gesellschaftsgestaltung Attac Deutschland BI stoppt Temelin Bündnis Gemeinsam gegen die Tierindustrie BürgerBegehren Klimaschutz BUNDjugend Café 2Grad Frankfurt Ende Gelände Extinction Rebellion Berlin XR Bremen XR Darmstadt XR Dresden XR Freiburg XR Göttingen XR Hamburg-West XR Heidelberg XR Magdeburg XR Münster XR Potsdam XR Thüringen XR Trier XR Zwickau Fossil Free Lüneburg Fridays for Future Deutschland FfF Bad Nenndorf FfF Bamberg FfF Berlin FfF Darmstadt FfF Falkensee FfF Frankfurt am Main FfF Freiburg FfF Heidelberg FfF Ingolstadt FfF Leipzig FfF Magdeburg FfF Marburg FfF Nürnberg FfF Weil der Stadt FfF Worms FfF Wülfrath Gegenstrom Hamburg Interventionistische Linke [iL*] JunepA (Junges Netzwerk für politische Aktionen) KlimaAktion Mainz Klimabande Bremen Klimacamp Rheinland Lützerath lebt OG Schorndorf Roland Meister (Rechtsanwalt des Vaters eines der Opfer von Hanau) Sand im Getriebe stopA14ff Students for Climate Justice Regensburg Students for Future Deutschland Unicorn-Power.TV vegan4future Zugvögel – Grenzen überwinden 350.org Deutschland
Save the Date // 19.-21.11.2021 // Konferenz »Emissionen, Eigentum, Ernährung: Debatten zur klimagerechten Landwirtschaft«
Klimagerechtigkeit erkämpfen, Biodiversität schützen, Ernährungssouveränität herstellen, neokoloniale Strukturen überwinden! Aber wie? Unter welchen Bedingungen sollen Lebensmittel produziert, verarbeitet und verteilt werden? Wo können wir Treibhausgase einsparen? Wie werden die Böden der Zukunft genutzt und wem sollen sie gehören?
Diskussionen, Vorträge und Workshops zu Klimagerechtigkeit und Landwirtschaft
Die Veranstaltung wird offline geplant und abhängig von der Corona-Situation evtl. digital durchgeführt.
Für Montag, den 11. Januar, um 18:30 Uhr wurden wir von der Gruppe Klimagerechtigkeit Kassel und dem Tierrechtskollektiv Kassel für einen Online-Vortrag zur Klimarelevanz der Tierindustrie, eingeladen.
Dass die Landwirtschaft und insbesondere die Tierproduktion einer der größten Verursacher der Klimakatastrophe ist, ist unumstritten. Ohne eine drastische Reduktion der globalen Tierproduktion wird Klimagerechtigkeit nicht möglich sein. Trotzdem bleibt die Auseinandersetzung mit dem Thema schwierig, ob am Abendbrottisch oder in politischen Kontexten. Bequeme Erzählungen von der ökologischen Unbedenklichkeit von Biofleisch und Biomilch oder der romantische Rekurs auf indigene Kulturen verstellen oft den Blick auf die wesentlichen Wirkzusammenhänge. Das Wachstum der Tierproduktionsbranche stellt ein Musterbeispiel für profitgetriebene kapitalistische Produktion dar.
Dieser Branche ist es gelungen, Luxusprodukte für einen kleinen aber zahlungskräftigen Teil der Weltbevölkerung erfolgreich zu vermarkten und die Kosten in Form massiver Naturzerstörung zu externalisieren. Die in der Tierproduktion vorzufindende extreme Ausbeutung der Arbeiter*innen koinzidiert mit dem unermesslichen Leid der zum Produktionsmittel reduzierten (Nutz)tiere.
Es leben zwar immer mehr Menschen vegan, doch es ist zu einfach und reicht nicht, auf die Verantwortung der Konsument*innen zu verweisen. Deutschland ist der viertgrößte Fleischexporteur weltweit (und der Größte in Europa). Dazu kommen massive Importe von Futtermitteln, insbesondere aus Südamerika, die mit starken Regenwaldabholzungen und Lebensraumzerstörung einhergehen.
Blockaden bei Nacht und Nebel, unangemeldete Aktionen, Behinderung der Betriebsabläufe – das kennen wir aus Klimagerechtigkeits- und Tierrechtsbewegung gut. Aber auch Landwirt_innen greifen ab und zu auf zivilen Ungehorsam zurück. Vor allem 2020 wurden sie unbequem, denn die deutsche Landwirtschaft steckt in einer Krise, die sich durch Corona noch verschlimmert hat. In der Vergangenheit haben Landwirt_innen häufig ihren Protest auf die Straße getragen, sei es gegen sinkenden Milchpreise oder für ökologischere Landwirtschaft und artgerechte Tierhaltung. So wie überall gibt es auch in der Landwirtschaft verschiedene Haltungen und politische Strömungen. In diesem Artikel konzentrieren wir uns allerdings auf die sogenannten Bauernproteste dieses Jahres, deren treibende Kraft die Gruppe „Land Schafft Verbindung“ (LSV) ist. (Weitere aktive Gruppen sind etwa die Freien Bauern oder die Basis Bauern Bewegung.) Traditionellerweise wird die konventionelle deutsche Landwirtschaft durch CDU/ CSU und den DBV (Deutscher Bauernverband) vertreten. Seitens vieler Landwirt_innen wird dem DBV mittlerweile aber eine zu starke Nähe zur Politik und zu wenig Solidarität mit der eigenen Basis vorgeworfen. Viele fühlen sich von DBV und CDU/CSU im Stich gelassen.
Im Oktober 2019 gründete sich LSV, die eine Gegenposition zum DBV einnehmen. Im Januar 2020 rief LSV zu einem großen Protest am Vortag der „Wir haben es Satt“-Demonstration in Berlin auf. Tausende Landwirt_innen folgten dem Ruf und demonstrierten mit Traktoren in der Hauptstadt. Während das Bündnis „Wir haben es Satt“ ökologische Landwirtschaft und mehr Tierwohl fordert, stellte sich die LSV-Demo gegen strengere Tier- und Umweltschutzauflagen und die Preispolitik des LEH. Diese sind bis heute die prägenden Themen der Bauernproteste.
Seit Jahrzehnten sehen die Landwirt_innen für die von ihnen erzeugten Produkte immer weniger Geld. Während 1970 noch 19% des Brotpreises an die Erzeuger_innen gingen waren es 2019 nur noch 4%. Bei Milch waren es 57% und sind nun 39%. Dies hängt nicht nur mit den optimierten Betriebsabläufen zusammen, sondern vor allem mit der Strukturierung des Marktes. Die vier größten Gruppen – Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe (Lidl & Kaufland) – kontrollieren nach Angaben des Bundeskartellamts zusammen mehr als 85 Prozent des Lebensmittelmarktes in Deutschland. Das gibt ihnen eine enorme Marktmacht und die Möglichkeit Preise zu drücken. Betriebe, die die vorgegebene Preise nicht akzeptieren, werden im Sortiment nicht gelistet. Außerdem ist es ein Leichtes, günstigerer Agrarprodukte aus dem Ausland zu importieren. Lebensmittelimporte nach Deutschland steigen seit Jahren und die deutsch Landwirtschaft fühlt sich davon bedroht. LSV setzt sich deswegen auch für eine Förderung regionaler Produkte und gegen das Handelsabkommen Mercosur ein.
Die Intensivierung der Landwirtschaft hat immense Folgen für die Umwelt:
Ein Rückgang der Arten vor allem bei den Insekten und Vögeln, eine hohe Stickstoffbelastung von Boden und Grundwasser und das Voranschreiten des Klimawandels. Diese Probleme bleiben von Politik und Gesellschaft nicht ungesehen. 2018 wurde Deutschland wegen Verstoßes gegen die EU-Nitratrichtlinie vom Europäischen Gerichtshof verurteilt. Deswegen wurde 2020 eine strengere Düngeverordnung beschlossen. Für viele Höfe bedeutet dies eine deutliche Reduktion von Stickstoffgaben und somit Einbußen bei der Ernte. 2019 setzte sich das „Volksbegehren Artenvielfalt“ als eines der erfolgreichsten Volksbegehren in Bayern durch. Es soll dem Artenverlust von Bienen und Schmetterlingen entgegen wirken. Im Rahmen der Kampagne wurde vor allem die Rolle der Landwirtschaft für das Insektensterben kritisiert. Und der IPCC-Bericht schätzt, dass die Landwirtschaft 24% der globalen Treibhausgasemissionen verursacht, weswegen Bündnisse und Gruppen wie Free the Soil, Gemeinsam gegen die Tierindustrie, Robin Wood oder Block Bayer im Kontext der Klimagerechtigkeitsbewegung gegen Agrarunternehmen vorgehen.
Diese Entwicklungen werden von den Landwirt_innen nicht wohlwollend aufgenommen. Sie fühlen sich häufig zu Unrecht beschuldigt und stellen sich bei ihren Protesten gegen „Bauernbashing“ und den vermeintlich sinkenden Respekt gegenüber dem Berufsstand.
In den Reihen der Bauernproteste hat sich eine enorme Ablehnung gegen jede Form von Klima- und Umweltschutz eingeschliffen, die oft mit einer feindlichen Haltung gegenüber NGOs, Presse und Wissenschaft einhergeht. Nicht selten sind Landwirtschafts-Aktivist_innen mit dem Logo von „Fridays for Hubraum“, einer klimwandelskeptischen Anti-FFF-Gruppe, zu sehen. Im LSV-Webauftritt wird akribisch jeder Fehltritt des NABUs dokumentiert. Und in Facebook- und Telegramgruppen wird die umwelt- und gesundheitsschädliche Wirkung von Pflanzenschutzmitteln oder Antibiotika in Frage gestellt. Auch an den maßgeblichen Einfluss der Landwirtschaft auf das Insektensterben will man nicht so Recht glauben. Die Schuld wird stattdessen bei der Flächenversiegelung, der Unkrautbekämpfung in Vorgärten oder Windradrotoren gesucht.
Ähnliche Haltungen zeigen sich, wenn es um Tierschutz geht. Missstände werden bestritten und auch kleine Reformen wie etwa das Verbot der betäubungslosen Ferkel-Kastration oder die Verkürzung der Kastenstandhaltung werden bekämpft.
Bei den Landwirt_innen hat sich das Gefühl manifestiert, mit immer neuen Richtlinien und Auflagen bombardiert zu werden, ohne dabei gesellschaftlichen oder politischen Rückhalt zu bekommen.
Zu all dem kam im Jahr 2020 noch die Corona-Krise, die die Situation in der Landwirtschaft weiter erschwerte: Saisonarbeiter_innen fehlten während der Ernte. Die Preise für Agrarprodukte stürzten noch tiefer in den Keller. Die sinkende Nachfrage aus der Gastronomie führte zu großen Einbußen, beispielsweise im Kartoffelanbau. Und die Schließung von Schlachtfabriken aufgrund von Coronafällen bei den Arbeiter_innen verursachte den sogenannten Schweinestau. Auf diese Schlachtfabriken sind Landwirt_innen der Tierindustrie angewiesen. Denn es gibt kaum noch Hofschlachtungen, da wenige, gigantische Unternehmen wie Tönnies und Westfleisch die Industrie dominieren. Der Schweinemarkt hat seit diesem Herbst zusätzlich mit der Afrikanischen Schweinepest zu ringen.
Zu Recht haben nun viele Landwirt_innen Angst um ihre Existenz. Es gibt genug Gründe, wütend zu werden und auf die Straße zu gehen. Leider geht es bei den Bauernprotesten nicht darum, die Landwirtschaft klimagerechter, ökologischer oder sozialer zu gestalten. Viel eher soll der Status Quo erhalten werden, mit geringfügigen preispolitischen Verbesserungen im nationalen Kontext. Nach Kritik am kapitalistischen Wirtschaftssystem, an der deutschen Exportdominanz oder am unverantwortlichen Handeln großer Fleischkonzern wie Tönnies sucht man bei den Protesten vergeblich. Stattdessen wird mit dem Finger auf Konsument_innen gezeigt, die mit ihrem „billigen“ Einkaufsverhalten vermeintlich Schuld an der Situation tragen würden. Oder es werden die Einbußen im Schweinefleischexport durch die Afrikanischer Schweinepest beklagt und gleichzeitig den Verbraucher_innen Vorwürfe gemacht, zu importierten statt zu deutschen Produkten zu greifen.
Dass viele der Probleme der Landwirtschaft hausgemacht sind, wird ausgeblendet. Gleichzeitig mangelt es an Solidarität mit migrantischen und marginalisierten Arbeiter_innen in der europäischen Landwirtschaft (die ebenfalls stark unter Corona leiden), einer kritischen Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und einer Abgrenzung von rechten Strömungen. (Letzteres werden wir in einem weiteren Artikel näher beleuchten).
Die Krise der Landwirtschaft ist ernst. Aber die Klimakrise, das Artensterben und die Situation der Nutztiere ist es ebenfalls. Und landwirtschaftspolitische Forderungen, die sich auf eine nationale Perspektive konzentrieren, werden niemals gerecht sein. Lasst uns gemeinsam für eine solidarische und ökologische Landwirtschaft eintreten und die Profiteure des Agrarkapitalismus benennen, stören und entmachten.
Wir haben einen Artikel zur Auswirkung der Corona-Krise auf den Amazonas für das Magazin Tierbefreiung geschrieben. Den könnt ihr nun auch online lesen.
Wir beleuchten darin, was deutsche Fleischexporte mit Regenwaldrodung zu tun haben. Und wie sich die Situation während der Corona-Krise weiter verschärft hat.