Animal Climate Action

20. September 2016
von Karpfen
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Offener Brief zum Wir-haben-es-satt-Kongress

Der folgende Brief wurde heute im Namen mehrerer Gruppen (s.u.) an das Orgateam des Wir-haben-es-satt-Kongresses verschickt.

Liebe Organisator*innen des Wir-haben-es-satt-Kongresses,

bild-wheswir finden die Idee toll, im Rahmen eines Kongresses mit verschiedenen  Akteuren und Aktiven der großen Bewegung für eine Agrarwende zu diskutieren und wir freuen uns auf den Austausch und die Vernetzung an dem Wochenende.  Allerdings sind wir von dem Programm des Kongresses nicht begeistert – weder auf der repräsentativen noch auf der inhaltlichen Ebene.

Wir finden es unverständlich, dass Graswurzelgruppen und Bürger*inneninitiativen in den Plenumsveranstaltungen fast gar nicht und in den Arbeitsgruppen auch nur vereinzelt auftauchen. Dieser wichtige Teil der Bewegung ist aus unserer Sicht dadurch auf dem Kongress stark unterrepräsentiert. Es wurden hauptsächlich Sprecher*innen großer NGOs eingeladen und einigen Vertreter*innen der gegenwärtigen Regierung und Agrarindustrie sehr viel Raum geboten. Auf diese Weise besteht die Gefahr, dass eine Bewegung, die grundsätzliche Systemveränderungen fordert, an Potenzial verliert. Es scheint dann so, als zögen letztlich alle Akteure an einem Strang, wodurch die hier stark wirkenden Machtverhältnisse unsichtbar werden. Die Position von Regierung, Bauernverband und Co. ist hinreichend klar und wird auf zahlreichen Wegen verbreitet und diskutiert. Einer Bewegung für eine „Agrarwende“, die wirklich Veränderung will, müsste es darum gehen, eigene Ziele und Strategien zu entwickeln. Das gelingt der Wir-haben-es-satt-Bewegung in unseren Augen zur Zeit nur sehr begrenzt.

Inhaltlich finden wir es problematisch, dass im Programm zentrale Fragen für eine zukunftsfähige  Landwirtschaft kaum explizit benannt werden.
Dazu gehört erstens die Frage nach den grundlegenden Wirtschafts- und Politikstrukturen, in denen wir leben wollen und in denen sich eine bessere Landwirtschaft verwirklichen ließe. Zu unserer Verwunderung kommen so wichtige Konzepte wie Wachstums- und Herrschaftskritik, Degrowth, Alternativen zum Kapitalismus nicht vor.
Zweitens  fehlt uns eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Tierhaltung, die nicht schon voraussetzt, dass kleinbäuerliche und ökologische Betriebe eine artgerechte und ethisch vertretbare Nutzung von Tieren gewährleisten. Die vegane Tierrechts- bzw. Tierbefreiungsposition taucht als Option und Diskussionsgegenstand schlicht nicht auf. Stattdessen wird die einzige von zahlreichen Arbeitsgruppen, die sich mit den Lebensbedingungen der  Nutztiere beschäftigt, von drei Personen moderiert, die lediglich für einen Tierschutzansatz stehen und an eine „tierleidfreie Zukunft für unsere Nutztiere“ glauben, welche der AG-Beschreibung zufolge schon durch eine bessere Kennzeichnung von Tierprodukten im Handel erreicht werden könne.
Drittens sehen wir die Frage nach den Klimaauswirkungen der Landwirtschaft zu wenig berücksichtigt. Auch hier spielt die Tierhaltung eine wichtige Rolle, ist sie doch für den Löwenanteil der Emissionen aus der Landwirtschaft verantwortlich. Eine Umstellung der Tierhaltung auf Bioproduktion bei gleichbleibender Menge wäre nicht nur unmöglich, sondern würde auch die Probleme kaum verringern, da z.B. bei extensiver Tierhaltung der Land- und Ressourcenverbrauch immens ist und ebenfalls Klimaauswirkungen mit sich bringt. Anstatt  aber entsprechend die Frage zu diskutieren, ob eine Umstellung der Landwirtschaft auf verstärkte Produktion pflanzlicher Lebensmittel und parallel eine Umstellung der Ernährung nötig wäre, geht es  in vielen Formaten allein um die wirtschaftliche Zukunft von Fleisch-  und Milcherzeuger*innen.

Obgleich auf dem Wir-haben-es-satt-Kongress auch einige Vertreter*innen vielversprechender Initiativen zu Wort kommen und in vielen Formaten wichtige Fragen angesprochen werden, fühlen wir uns aus den genannten konzeptionellen Gründen von dem Kongressprogramm nicht sehr angesprochen. Wir fragen uns, welches Potenzial für Veränderung dieser Kongress tatsächlich mobilisieren kann – und ob er nicht stattdessen Gefahr läuft, durch Bewerbung von Nischenmodellen und kleinen Reformen die gegenwärtige Landwirtschaftspolitik zu stabilisieren. Aus unserer Sicht werden wir einer so dringenden wirklichen „Agrarwende“ nur näher kommen, wenn wir einen offeneren und hierarchieärmeren Diskurs führen, in dem die Bewegung in ihrer ganzen Vielfalt berücksichtigt wird, und wenn wir ganz direkt die zentralen Fragen diskutieren, die die Grundausrichtung unserer (Land-)Wirtschaft betreffen.

Wir würden uns über eine Antwort freuen.

Animal Climate Action, Bürgerinitiative Schweinewind, Kampagne gegen Tierfabriken Niedersachsen, Tierfabriken-Widerstand

 


Wir haben eine Antwort von Jochen Fritz bekommen, die wir hier ebenfalls veröffentlichen:

Liebe Mitglieder von Animal Climate Action, Bürgerinitiative Schweinewind, Kampagne gegen Tierfabriken Niedersachsen, Tierfabriken-Widerstand,

danke für euren umfangreichen Brief an das Organisationsteam des „Wir haben es satt!“-Kongresses. Wir nehmen eure Anmerkungen sehr ernst! Wir haben versucht, ein sehr breites Programm aufzustellen, das viel Platz für die von euch angesprochenen Themen Klimaschutz, Tierrechte und Umstellung der Ernährung auf pflanzliche Produkte lässt. Über die Ausrichtung eines Kongresses kann man unterschiedlicher Meinung sein. Auch wir haben sehr lange diskutiert und uns einerseits für Format mit Beteiligungsmöglichkeiten für viele und andererseits für Inputs von bekannteren Personen entschieden. So ist das Programm geworden, wie es jetzt ist und ich denke, dass thematisch für alle aus der Bewegung was dabei ist – und der Kongress die Breite der Bewegung abbildet.

Am Ende lebt ein Kongress davon, welche Menschen sich daran beteiligen und wie sie miteinander diskutieren. Dass wir vom Organisationsteam keine Basisleute eingeladen hätten, können wir nicht nachvollziehen. Es sind Bäuerinnen und Bauern wie Johanna Böse-Hartje und Matthias Stührwoldt, Marianne Ohlhoff und Mariam Diaby dabei oder bspw. auch die Aktivistin Julia BarTal. Einer eurer Unterzeichner hat übrigens auch auf der letzten Demo gesprochen, weil uns wichtig ist, BasisaktivistInnen Raum zu geben. Wir versuchen immer ein Auge draufzuhaben, dass wir ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Basisinitiativen und etablierten Organisationen haben.

Aber: Wenn man die Spitzen der NGOs nicht einlädt, kann man seine Forderung nicht mit ihnen diskutieren. Dass wir deswegen Gefahr laufen, eine Werbeveranstaltung für die Regierung und die Agrarindustrie zu werden, weil wir sie zur Diskussion bitten, teile ich nicht.

Zugegebener Weise ist das Thema vegane Lebensweise kein zentraler Strang wie beim letzten Kongress. Dies hat bestimmt auch mit dem Ausscheiden der Albert-Schweizer-Stiftung aus der Kampagne „Meine Landwirtschaft“ zu tun, was wir sehr bedauern. Aber ja, aktuell umtreibt uns die existenzbedrohende Situation auf den Höfen und die zunehmende Konzentration der Agrarkonzerne stärker als vegane Themen. Trotzdem bin ich mir sicher, dass die Fragestellungen, die ihr zu Recht angesprochen habt und die natürlich die zentralen Zukunftsthemen sind, auf dem Kongress viel Raum haben werden. Insbesondere in den Arbeitsgruppen und im Open Space sowie in den Plenardiskussionen werden diese Themen wichtig sein. Die Arbeitsgruppen sind z. B. fast alle von der Bewegung an uns herangetragen worden und wurden nicht von uns initiiert.

Wir freuen uns auf euer Kommen und begrüßen es ausdrücklich, wenn ihr euch beim Kongress einbringt.

Beste Grüße

Jochen Fritz

Kampagne Meine Landwirtschaft/ Wir haben es satt!

Leitung

19. September 2016
von Karpfen
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Guardian: Agrarindustrie abschaffen, dem Klima zuliebe!

Der beste Weg zum Klimaschutz liegt in der Abkehr von der Agrarindustrie, schreibt der Guardian.

Studien zufolge soll es möglich sein, bis zu 100% der industriellen CO2-Emissionen in landwirtschaftlichen Böden zu fixieren – für eine begrenzte Anzahl von Jahren. Es ist bekannt, dass der Ökolandbau aufgrund seines Fokus auf Bodenfruchtbarkeit Humusaufbau betreibt und damit CO2 im Boden fixiert, während die Agrarindustrie systematisch Boden zerstört und das dort fixierte CO2 in die Atmosphäre entlässt. Nur Ökolandbau reicht allerdings nicht aus, um die erforderliche Menge an CO2 im Boden zu binden: Eine Kombination von Ökolandbau mit weiteren alternativen Methoden ist erforderlich: Verzicht auf den Pflug, Kompostierung, Fruchtfolgen und die gezielte Regenerierung zerstörter Böden.

Klar ist, dass es spätestens ab Mitte des Jahrhunderts nicht mehr darum gehen darf, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, sondern nur noch darum, CO2 aktiv der Atmosphäre und den Ozeanen zu entziehen. Die High-Tech-Methoden hierfür sind CO2-Verpressung und Geoengineering. Viele Menschen halten die aber für unwirksam und gefährlich, selbst wenn die High-Tech-Industrie hier neue Geschäftsfelder wittern mag…

Naheliegender sind öksystemnahe Methoden: Das Vergraben organischer Holzkohle unter der Erde und die CO2-Fixierung in landwirtschaftlichen Flächen. Der unbedarften Leserin fällt hier gleich etwas auf: Diese Methoden machen eigentlich nichts anderes, als die aktuellen industriellen Prozesse umzukehren, wie in einem Film, der rückwärts läuft: Zur Zeit wird Kohle ausgebuddelt – bald müssen wir Kohle herstellen und diese dann verbuddeln. Aktuell werden massiv Böden zerstört und dort gebundenes CO2 freigesetzt – bald müssen wir die Böden gezielt rekultivieren und in den Böden CO2 fixieren.

Die Folgerung ist logisch: Am besten die Kohle gleich im Boden lassen und die Böden gar nicht erst kaputtmachen. Und für letzteres gibt es einen Königsweg: Die Abschaffung der industriellen Tierproduktion, die den Großteil der Böden in Anspruch nimmt, und den Umstieg auf nachhaltigen Ökolandbau für die Produktion pflanzlicher Nahrung.

9. August 2016
von Karpfen
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Animal Climate Action beim Aktionscamp gegen Tierfabriken (+Podcast)

Vom 29. Juli bis 4. August fand in der Nähe von Nienburg das Aktionscamp gegen Tierfabriken statt. Protestiert wurde gegen die Erweiterung der Wiesenhof-Schlachtfabrik in Wietzen-Holte und damit gegen die gewaltvolle, ausbeuterische und zerstörerische Fleischindustrie insgesamt. Die Kampagne gegen Tierfabriken, die das Camp organisierte, ist Mitglied im Netzwerk Animal Climate Action und mehrere weitere Aktivist*innen des Netzwerks waren auf dem Camp dabei – nicht nur mit einem Abendvortrag zum Zusammenhang von Tierproduktion und Klimawandel, sondern auch mit einem wunderbaren Banner 🙂 Das Foto wurde bei einer mehrstündigen Blockade des Schlachthofs am 2. August aufgenommen. Mehr Infos gibt es unter http://kampagne-gegen-tierfabriken.info.

Im Rahmen des Aktionscamps hat Friederike Schmitz den ersten Podcast für Animal Climate Action erstellt! Hört ihn hier an:

 

Alle Podcasts findet ihr hier und im RSS-Feed zum Download und zum Abonnieren.

Wietzen

5. Juli 2016
von Khaled
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Animal Climate Action auf dem Lausitzer Klima- und Energiecamp 2016

Foto: Ruben Neugebauer

Foto: Ruben Neugebauer

Das diesjährige Klimacamp fand vom 9. bis 16. Mai in Proschim statt und war schon das 6. seiner Art in der Lausitz [1]. Das Camp lag wunderschön am Rand eines Teiches und einem Wald, wurde von seinen Teilnehmenden basisdemokratisch organisiert und abgehalten und bot ein buntes Feld an Teilnahmemöglichkeiten. Neben der Vernetzung von Kohle- und Klimaaktivist*innen sowohl auf lokaler als auch internationaler Ebene, fanden Aktions- und rechtliche Trainings für die im Anschluss stattfindene Aktion von Ende Gelände [2] statt und es gab auch eine breite Palette an Workshops.

Am 2. Camptag haben Aktivisten von Animal Climate Action (in diesem Fall von „Kampagne gegen Tierfabriken“) auch einen Vortrag gehalten. Um die 25 Menschen folgten der Einladung um mehr über Animal Climate Action, die Schäden der Tierindustrie an Klima und Umwelt sowie über Gesellschaftskritik & Tierbefreiung zu erfahren. Interessante Einblicke gab es, als die Referent*innen über strategische Ansätze am Beispiel der Proteste gegen die Pelzindustrie berichteten und dabei auf viele Jahre Arbeit und jede Menge Aktionen zurückblickten. Weiterlesen →

Regenwaldbild

20. April 2016
von Karpfen
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Neue Studie: Weniger Fleisch für mehr Wald- und Klimaschutz

Österreichische Wissenschaftler*innen haben verschiedene Optionen für die Ernährung der Weltbevölkerung im Jahr 2050 berechnet. Die Agrarindustrie behauptet ja stetig, aufgrund des Wachstums der Weltbevölkerung müssten mehr Flächen landwirtschaftlich erschlossen und alle Flächen intensiver genutzt werden. Das würde auch eine weitere Rodung von Wäldern bedeutet.
Die Studie zeigt nun, dass sich das vermeiden ließe, wenn die Menschen anders essen würden. Studienautor Karlheinz Erb sagt: „Das Ernährungsverhalten des Menschen ist die wichtigste Komponente.“ Je mehr Fleisch der Mensch esse, desto schwieriger der Erhalt von Waldflächen, so die Ergebnisse. Bei einer veganen Ernährung kann in fast allen untersuchten Szenarien die weitere Rodung von Waldflächen vermeiden werden.
In der Pressemitteilung der Uni Klagenfurt heißt es außerdem: „Betrachtet man die Anbauintensität, zeigt sich, so die Forscherinnen und Forscher, dass bei einer vorwiegend veganen oder vegetarischen Lebensweise sogar eine Versorgung der Weltbevölkerung mit extensiveren Formen der Landwirtschaft, wie etwa dem Biolandbau, und dem gleichzeitigen Erhalt der Waldflächen möglich wäre.“
Zur gesamten Pressemitteilung geht es hier.
Die Nachricht auf der Internetpräsenz des Weltagrarberichts ist hier.

13. April 2016
von Karpfen
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Neue Studie zu Klimawandel und Ernährung

Blogbeitrag von ACA-Mitglied Tina Tusch

Eine aktuelle Studie der Universität Oxford kommt zu dem Schluss: Je weniger Tierprodukte global verzehrt würden, desto besser wäre das im Hinblick auf den Ausstoß von Klimagasen.

In der Studie werden drei verschiedene Ernährungsweisen daraufhin untersucht, wie sich diese bis zum Jahr 2050 auf die menschliche Gesundheit, die Umwelt und die Wirtschaft auswirken würden:

  • Umsetzung von Empfehlungen wie denen der Weltgesundheitsorganisation (gewisse Mengen an Obst und Gemüse, weniger rotes Fleisch),
  • vegetarische Ernährung,
  • vegane Ernährung.

Die heutige Ernährung ist laut der Studie für mehr als ein Viertel aller Treibhausgasemissionen verantwortlich. Davon werden bis zu 80 % mit der Tierhaltung in Verbindung gebracht. Wenn alle Menschen sich vegan ernährten, ließen sich dadurch die ernährungsbedingten Treibhausgasemissionen bis 2050 um 70 % reduzieren. Wenn alle Menschen den WHO-Empfehlungen in ihrer Ernährung folgen würden, würde das zu einer Reduzierung um 29 % führen; eine allgemeine vegetarische Ernährung immerhin zu einer Reduzierung um 63 %.

Dabei ist allerdings u.a. unklar, wie eigentlich eine vegetarische Ernährung realisiert werden sollte bzw. was da mit den genutzten Tieren geschehen sollte, die ja heute zum Ende ihrer kurzen Nutzungsdauer geschlachtet und gegessen werden.